Die Ergebnisse unseres 18. Restrukturierungsbarometers, dessen Panelbefragung wir gemeinsam mit FINANCE Ende März bis Anfang April 2021 durchgeführt haben, zeigen: Die unsicheren Aussichten aus dem vergangenen Herbst haben sich zum jetzigen Zeitpunkt in deutlich pessimistischen Erwartungen manifestiert. Besonders die Gefahr, die von den Zombieunternehmen ausgeht, macht den Befragten Sorge: Mehr als 80 Prozent sehen das als Problem, denn hierbei handelt es sich um Firmen, die maßgeblich aufgrund der Corona-Hilfsmaßnahmen und niedriger Zinsen überlebensfähig sind.
Das Schlimmste ist noch nicht überstanden - Erwartete Insolvenzwelle ist bisher ausgeblieben
Auch wenn die gesundheitliche Gefährdung durch die Pandemie zumindest in Teilen der Welt langsam gebannt scheint, sind die Folgen für die Wirtschaft nach wie vor beunruhigend – und die Aussichten alles andere als rosig, wie das aktuelle Restrukturierungsbarometer zeigt. Zwar hält sich die Anzahl der Firmenpleiten vor allem bei kleineren Unternehmen auf auffällig niedrigem Niveau – sie befindet sich auf dem niedrigsten Stand seit der Einführung der Insolvenzordnung im Jahr 1999. Doch Grund zur Entwarnung kann das kaum sein. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, Staatshilfen und Kredite, die wieder getilgt werden müssen, haben viele Insolvenzen nicht verhindert, sondern nur aufgeschoben. Und so rechnet ein Großteil der Befragten (58 Prozent) mit dem Beginn der Pleitewelle im dritten Quartal.
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Zombieunternehmen als Bedrohung
Neben dem großen Schuldenrucksack, der diese Unternehmen belastet, liegen derzeit oft auch dringend benötigte Investitionen, beispielsweise in die digitale Transformation, auf Eis. So ist es kaum verwunderlich, dass nach der krisenbedingten Verschuldung, die 86 Prozent als Gefahr sehen, die Digitalisierung mit 75 Prozent als zweitgrößte exogene Bedrohung angegeben wird. Herausforderungen wie der Brexit (29 Prozent) oder die Wachstumsschwäche der Eurozone (58 Prozent) haben im Vergleich zur letzten Erhebung hingegen an Bedeutung verloren.
„Auch wenn es in den vergangenen Monaten deutlich weniger Restrukturierungen gab, bleiben viele Probleme ungelöst – vor allem die Corona-bedingte Verschuldung.“
— Georgiy Michailov, Managing Partner bei Struktur Management Partner
Ruhepause im Restrukturierungsbereich
In den Angaben zur Anzahl der neuen Restrukturierungsfälle, die die Befragten zur Bearbeitung bekommen haben, spiegelt sich deutlich die aktuelle „Ruhepause“: Nur noch 27 Prozent der Befragten sagen, sie hätten zurzeit mehr Fälle auf dem Tisch als in den letzten sechs Monaten. Das ist der niedrigste Wert seit dem Herbst 2017. Noch im Frühjahr 2020 lag diese Zahl mit 65 Prozent auf einem Allzeithoch. 28 Prozent der Befragten gaben hingegen an, sie hätten weniger Restrukturierungsfälle auf den Tisch bekommen als im Halbjahr zuvor. Dieser Wert ist seit Frühjahr 2020 kontinuierlich gestiegen.
Zwar bewegt sich die Zahl der Unternehmen, die wieder in den Markt entlassen werden konnten, nach wie vor auf niedrigem Niveau, allerdings ist auch bei diesem Wert erstmals seit 2019 wieder ein Aufwärtstrend zu verzeichnen. Ob sich diese Tendenz angesichts der Aussichten für den Herbst verfestigt, darf allerdings bezweifelt werden.
Bei den Auswirkungen des präventiven Sanierungsverfahrens ergibt sich bisher noch kein wirklich klares Bild. 20 Prozent erachten es zwar als hilfreich, doch ein echter Game Changer ist es nur für 8 Prozent. Knapp einem Viertel der Befragten (23 Prozent) fehlen vor allem die zunächst vorgesehenen Möglichkeiten zur Vertragsbeendigung, um es zu einem wirksamen Instrument werden zu lassen – sie sehen die Regelung eher als „zahnlosen Tiger“. 40 Prozent trauen sich diesbezüglich aktuell noch keine Einschätzung zu.
Im Fokus der Restrukturierungsabteilung
Während im vergangenen Herbst 81 Prozent der befragten Experten angaben, neue Kreditengagements besonders kritisch zu prüfen, ist dieser Wert aktuell leicht gesunken, bleibt aber mit 77 Prozent auf einem hohen Niveau. Mit der intensiveren Prüfung sind höhere Dokumentations- und Reporting-Anforderungen verbunden, sagen mittlerweile schon 45 Prozent der Befragten. Anders als im letzten Halbjahr werden aktuell in Einzelfällen nicht nur die Financial Covenants verschärft. 28 Prozent der Experten nannten den generellen Ausschluss einzelner Branchen als Maßnahme bei der Vergabe von Neukrediten (Herbst 2020: 19 Prozent).
Auf der Hitliste der Branchen, die zurzeit besonders im Fokus der Restrukturierungsabteilungen stehen, behauptet der Sektor Fahrzeugbau und -zubehör seinen unrühmlichen Spitzenplatz, während der Maschinen- und Anlagenbau wieder etwas besser dasteht. Dabei ist die vom chinesischen Markt getragene Performance in der Automotive-Industrie trotz der aktuell zunehmend problematischen Chip-Versorgung bisher noch deutlich besser, als vor sechs Monaten erwartet worden war. Dagegen machen die Finanzierer in der Textil- und Bekleidungsbranche (mittlerweile auf dem zweiten Platz hinter Fahrzeugbau) zuletzt Lockdown-bedingt wieder deutlich mehr Probleme aus.
Diese exogenen Gefahren werden derzeit am meisten gefürchtet: