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Digitale Transformation im Private-Equity-Portfolio: Wertsteigerung 4.0

Autor

Jan Rodig

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Business-Blog

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Digitale Transformation: Eine Thematik, die lange Zeit nicht auf der Agenda Private-Equity-Investoren stand. Doch der Wind hat sich gedreht.

Seit langem läuft es für die Private-Equity-Branche rund, vor allem in Sachen Liquidität. Gleichzeitig sind die Renditeerwartungen hoch und attraktive Investitionsmöglichkeiten Mangelware. Kaufpreise steigen, während die Renditen schon seit langem sinken.

Das Potenzial der drei traditionellen Werttreiber der Branche – Financial Engineering, Operational Engineering und Strategic Engineering – haben viele große Häuser bereits weitgehend ausgereizt. Demgegenüber stecken die meisten Mid- und Small-Cap-Fonds noch mitten im Aufbau von Teams und Strukturen für die operative und strategische Weiterentwicklung ihrer Portfoliogesellschaften.

Digitale Transformation gewinnt durch Corona an Bedeutung – auch für Finanzinvestoren

COVID-19 hat nun eine weitere Baustelle für die Fonds aufgemacht: das digitale Engineering – ein Themenfeld, das bislang für mittelgroße und kleinere PE-Häuser weitgehend eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Doch spätestens durch die Coronavirus-Pandemie ist die Bedeutung der digitalen Transformation für unternehmerische Resilienz und Ertragskraft sprunghaft angestiegen.

Die Pandemie machte schlicht vieles zur Pflicht, was vorher oftmals eher als Kür angesehen wurde. Online-Absatzkanäle sichern derzeit vielen Händlern und Herstellern das Überleben. Zahlreiche Branchen wären ohne Cloud-Dienste nicht mehr arbeitsfähig und für viele Produktionsverantwortliche sind vernetzte, fernwartbare Maschinen vom „No-go“ plötzlich zum absoluten „Must-have“ geworden.

Höchste Zeit also, dass Finanzinvestoren die digitale Transformation ernst nehmen: Sie ist einerseits ein signifikanter Treiber für Wertsteigerungen, andererseits aber auch eine mögliche Bedrohung für traditionelle Geschäftsmodelle im PE-Portfolio, die längst nicht mehr so stabil und planbar sind, wie das für stark fremdkapitalfinanzierte Deals wünschenswert wäre.

Digitalisierung: Drei Tipps für Private Equity

Drei Empfehlungen helfen, diese Entwicklungen angemessen zu berücksichtigen. Erstens: eine sorgfältige Digital Due Diligence vor dem Kauf; zweitens: effektive Digitalstrategien für Portfoliogesellschaften; drittens: digitale Add-ons zum Aufbau einer starken Equity-Story.

Tipp # 1: Digital Due Diligence

Bereits im Rahmen der Digital Due Diligence (DDD) sollten Finanzinvestoren ein potenzielles Target gründlich auf digitale Chancen, Risiken, Stärken und Schwächen prüfen. Drei Beispiele zeigen, welche digitalen Potenziale in vielen Unternehmen schlummern:

1. Administrative/ operative Prozesse

Welche Abläufe lassen sich mit Hilfe von Workflow-Tools, Robotic Process Automation (RPA) oder anderen digitalen Ansätzen effizienter gestalten? Gerade im Mittelstand besteht dabei oft enormer Nachholbedarf – attraktive Potentiale mit häufig sehr kurzen Amortisationszeiten (< 18 Monaten) werden verschenkt, beispielsweise in den Bereichen Finanzen, HR oder Vertrieb. Ein einfacher Hebel für Wertsteigerungen, der ohne Eingriffe in die Enterprise-IT gelingt.

2. Digitale Absatzkanäle

Hier steckt oft besonders viel Potential im Mittelstand. Wird bereits über einen Onlineshop oder Marktplätze verkauft – und wenn ja, wie professionell? Benchmarking und ein klares Verständnis der E-Commerce-Wertarchitektur helfen dabei, schnell Ansatzpunkte für Verbesserungen zu finden. Häufig betragen etwa die Conversion Rates von Onlineshops traditioneller mittelständischer Hersteller nur einen Bruchteil des jeweiligen Benchmarks.

3. Digitale Services und Geschäftsmodelle

Welchen Umsatzanteil machen digitale Services aus? Werden diese professionell monetarisiert? In vielen Branchen sind solche Angebote mittlerweile essenziell, um die traditionellen Produkte zu einträglichen Preisen verkaufen zu können oder über zusätzliche, margenstarke Erlöse zu wachsen. Beispiel Maschinenbau: Während das klassische Geschäft nur noch um 1,1% pro Jahr zulegt, wächst der Umsatz mit digitalen Mehrwertdiensten jährlich um 13 Prozent. Auch Pay-per-use-Modelle sind in dieser Branche auf dem Vormarsch.

Im Rahmen einer DDD sollten insbesondere auch digitale Bedrohungen des Geschäftsmodells gründlich analysiert werden: Welche Gefahren drohen dem Target von Start-ups, von Unternehmen aus anderen Branchen oder den Tech-Riesen wie Amazon, Google & Co.? Gerade letztere weiten ihre Aktivitäten in immer mehr Branchen aus, sowohl im B2C- als auch im B2B-Geschäft. Digitale Plattformen und Ökosysteme werden zunehmend zum strategischen Wettbewerbsvorteil, Branchengrenzen verwischen.

In der Regel hat das Management des Unternehmens selbst noch keine Ahnung von den vielen digitalen Angreifern, die häufig lange Zeit „unter dem Radar“ laufen oder nicht ernst genommen werden. Solche Risiken sollten vom Finanzinvestor im Rahmen der DDD rechtzeitig erkannt und verstanden werden, so dass ein qualifizierter Dialog darüber mit dem Target bzw. eine entsprechende Berücksichtigung bei den Kaufpreisverhandlungen möglich ist.

Tipp # 2: Wertsteigerung für Portfoliounternehmen mit Hilfe von Digitalstrategien

Wurde ein Unternehmen erworben, beginnt die gemeinsame Arbeit zur Wertsteigerung. Mithilfe einer holistischen Digitalstrategie werden die digitalen Wertsteigerungsmöglichkeiten systematisch identifiziert und ein Programm für ihre Realisierung definiert.

Bewährt hat sich ein analytisch-fundiertes Vorgehen, welches auf einer sorgfältigen Analyse der für die jeweilige Branche relevanten Technologie-, Wettbewerbs- und Kundentrends basiert. Welche dieser Trends beeinflussen kurz- bis mittelfristig das Geschäft am stärksten? Beispiel Maschinenbau: Mit Industrie 4.0, künstlicher Intelligenz, Edge und Cloud Computing sowie Digital Twin sind viele der wichtigsten Technologietrends eng mit der Digitalisierung verknüpft. Bei den Kunden- und Wettbewerbstrends sieht es ähnlich aus. Entscheidend ist, für jeden dieser Trends den Status quo im Unternehmen zu verstehen und eine zukunftsfähige Perspektive für das Unternehmen zu entwickeln.

Dabei sollten die Stärken, Ressourcen, strategischen Assets und Ziele des Portfoliounternehmens angemessen berücksichtigt werden, um eine für den Einzelfall sinnvolle Digitalstrategie zu entwickeln, die im Einklang mit der Geschäftsstrategie des Unternehmens steht. Die Digitalstrategie konkretisiert sich in sechs digitalen Werthebeln – z.B. Prozesseffizienz, Marketing- & Vertriebsdigitalisierung oder neue Services – welche jeweils mit klaren, quantifizierten Maßnahmen hinterlegt werden. Dabei gilt es, die richtigen Prioritäten zu setzen und eine Roadmap zu entwickeln, die ambitioniert und realistisch zugleich ist.

Diese beinhaltet auch ein Konzept dazu, welche organisatorischen Veränderungen notwendig sind, um die Digitalstrategie umzusetzen: beispielsweise der Aufbau neuer Kompetenzen und Organisationseinheiten, die Schaffung neuer Prozesse und Arbeitsweisen, die Etablierung strategischer Partnerschaften oder auch strategische Akquisitionen.

Tipp # 3: Digital Add-ons

Ein wichtiges Ergebnis einer Digitalstrategie ist oftmals ein klares Bild davon, welche digitalen Kompetenzen im Rahmen von M&A-Aktivitäten zugekauft werden sollten, um die Zukunftsfähigkeit des Portfoliounternehmens zu sichern. Solche Ergänzungen stärken die Equity Story und werden aufgrund der immer schnelleren technologischen Entwicklungen in den nächsten Jahren weiter zunehmen.

Entscheidend für die Auswahl der Add-ons ist auch hier die Frage nach den Trends: Welche digitalen Kompetenzen werden die Branche des Portfoliounternehmens in den kommenden Jahren am stärksten verändern? Im Maschinenbau sind das beispielsweise Themen wie Machine Learning, Vernetzung, Cloud- und Edge-Technologien sowie der Fokus auf User Experience.

Sind die potenziellen Targets mit den richtigen Schlüsselkompetenzen identifiziert, sollten Investoren – neben dem obligatorischen Blick auf den Kaufpreis – die Zusammenarbeit zwischen Portfoliounternehmen und Add-on bedenken. Etwa: Sollte man lieber ein Add-on im hippen Berlin oder nahe am Stammsitz des Portfoliounternehmens kaufen? Und wie lässt sich ein agiles, innovatives Technologieunternehmen so in das Portfoliounternehmen integrieren, dass die Mitarbeiter des Add-ons an Bord bleiben und Synergien gehoben werden können? Nur wenn dies gelingt, lässt sich das gemeinsame Potential aus alter und neuer Welt bestmöglich entfalten.

Fazit: Die digitale Transformation hat nun auch die Private-Equity-Branche mit voller Wucht erfasst und verlangt nach wirksamen Strategien. Nur wenn Finanzinvestoren die digitalen Potentiale konsequent nutzen und ein fundiertes Verständnis für branchenspezifische digitale Risiken entwickeln, werden sie in einem immer kompetitiveren Umfeld dauerhaft erfolgreich bestehen.

Jan Rodig Partner Dipl.-Kaufmann

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  • Digitalisierung
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