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Insights

Mit Innovationen aus der Klima-Krise

Autor

Georgiy Michailov

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Oder: Wie wir den Klimawandel bekämpfen sollten – und wie nicht

Auch den zweiten Teil meines Blogbeitrags zum Klimawandel beginne ich mit meinem Disclaimer: Ja, ich glaube fest daran, dass wir einen menschengemachten Klimawandel erleben. Ich bin kein Leugner dieser Entwicklung. Aber aus meiner langjährigen Erfahrung im Turnaround-Management weiß ich, dass es in Krisensituationen immer besser ist, einen kühlen Kopf zu bewahren, als in Angststarre zu verfallen. Deshalb tue ich mich auch so schwer mit dem Fatalismus, der seit einiger Zeit durch die Debatte weht. Ich bevorzuge einen konstruktiven Blick.

Ich bin weder Klimaforscher noch Klimaaktivist, daher beziehe ich meine aktuellen Erkenntnisse im Wesentlichen aus drei Büchern, die ich kürzlich gelesen habe, um mich auf meinen Podcast mit dem Physiker und Bestsellerautor Vince Ebert vorzubereiten (wer mehr wissen will, lese bitte den ersten Teil „Klimawandel zwischen Apokalypse und Zuversicht“).

Schwerpunkt dieses zweiten Teils ist mein subjektives Verständnis von möglichen Ansätzen zum Umgang mit dem Klimawandel. Dieses Verständnis zu entwickeln, war besonders schwer, da es dabei um einen Blick in die Zukunft – um Prognosen – geht. Welche Position jemand bei der Suche nach Lösungen einnimmt oder wie er Ansätze bewertet, hängt häufig vom Narrativ ab, dem er in seinem Denken folgt.

1. Hilft ein Systemwechsel? Wohl kaum

Genau aus diesem Grund möchte ich mit einem Ansatz beginnen, der – zumindest aus meiner persönlichen Sicht – keine Lösung ist! Ich spreche vom Narrativ eines notwendigen Systemwechsels, das im Buch von Greta Thunberg eine große Rolle spielt. 15-mal kommt der Begriff „Systemwechsel“ dort vor. Hier ein Zitat daraus:

„Um die ökologischen Belastungen im erforderlichen Maß zu verringern, empfiehlt diese Analyse ehrgeizige staatliche Maßnahmen zur Herbeiführung eines Systemwechsels, darunter ‚Angebotssteuerung‘ und die Bereitstellung universeller Grunddienstleistungen. Die Politik kann weitaus stärker auf Regulierung, Besteuerung und Anreize setzen, um schädliche, mit dem 1,5 °C-Ziel nicht vereinbare Konsumoptionen auszusondern. So könnte man im Bereich des Verkehrs Privatjets, Megayachten, Autos mit Benzin- oder Dieselmotor, Kurzstreckenflüge und Vielfliegerboni verbieten.“

Jetzt wird mir auch klarer, was all die Plakate von Fridays-For-Future-Aktivisten verfolgen, die „burn capitalism, not coal“ oder „system change, not clima change“ fordern. Derlei Appelle und das Rufen nach Verboten erinnern mich dann doch sehr stark an die Planwirtschaft kommunistischer oder sozialistischer Spielart.

Als jemand, der in Usbekistan geboren ist, gehöre ich zu den wenigen Menschen, die ihre Kindheit noch in der Sowjetunion verbracht haben und konträre Politik- und Wirtschaftssysteme nicht nur aus einer romantischen Vorstellung, sondern aus der Erfahrung einer bitteren Realität heraus vergleichen können. Zudem bin ich ein Ökonom der Freiburger Schule. Beides Gründe, warum ich ein großer Verfechter der sozialen Marktwirtschaft bin und jedem nur empfehlen kann, sich von der sozialistischen Vorstellung von Marktwirtschaft zu distanzieren.

Doch nehmen wir einmal rein hypothetisch an, dass kommunistische oder sozialistische Wirtschaftsformen vielleicht nicht für die Menschen, aber für das Klima besser wären. Um diese Hypothese zu überprüfen, habe ich einmal DDR und BRD hinsichtlich ihres CO2-Ausstoßes verglichen. Immerhin hatte die DDR bereits 1972 und damit 15 Jahre früher als die BRD ein Umweltministerium. Doch hat es der Umwelt genutzt? Nein. So lag der CO2-Ausstoß pro Kopf in der DDR um etwa 65 Prozent über dem Vergleichswert der BRD. Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) fiel die Zahl sogar mehr als dreimal so hoch aus! Und die Schwefeloxidwerte waren 15-mal höher als in der BRD. Zu diesen Ergebnissen kam Alexander Fink, Dozent am Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig.

Auf einen Vergleich mit Usbekistan oder Russland habe ich übrigens bewusst verzichtet – dieser wäre noch schlechter ausgefallen…

An anderer Stelle heißt es in Thunbergs Buch:

„Eine Schätzung, die zunehmend an Bedeutung gewinnt, geht von der ‚3,5-Prozent-Regel‘ aus. Diese Zahl stammt aus der historischen Beobachtung, dass von den gewaltlosen Massenbewegungen, die einen Sturz ihrer Regierung anstrebten, keine scheiterte, nachdem sie 3,5 Prozent der Bevölkerung mobilisiert hatte, sich an Massendemonstrationen zu beteiligen.“

Im Zusammenhang mit Protesten wie im Iran mögen solche Überlegungen angebracht sein. Aber im Zusammenhang mit dem Klimawandel? Ist da der Sturz der Regierung wirklich ein Weg? Welche Regierungen sind gemeint? Und was ist mit demokratischen Grundsätzen wie Wahlen und Mehrheiten?

2. Ein Abschied vom Wachstum? Kommt für viele Länder nicht infrage

Etwas anderes, das manche Klima-Aktivisten gerne überwinden würden, ist der Wunsch nach Wachstum und Wohlstand. Doch vor solch einem Schritt sollten wir uns sehr in Acht nehmen. Eine Studie des Yale Center for Environmental Law & Policy an der amerikanischen Yale University zeigt, dass mit steigendem Einkommen auch die Sorge um die Umwelt signifikant zunimmt. Gemäß der Studie, die 180 Länder anhand von 40 Kriterien in ihrer Performance für Umwelt- und Klimaschutz bewertete, gibt es eine Korrelation zwischen dem Environmental Performance Index (EPI) und dem Wohlstand eines Landes. An der Spitze lagen Dänemark, UK und Finnland, während Deutschland auf Platz 13, die USA auf Platz 43 und China auf Platz 160 des Rankings landeten.

Hier eine Grafik zur Verteilung der Länder:

Eine Möglichkeit, sich mehr um das Klima zu kümmern, könnte somit darin bestehen, mehr Menschen so schnell wie möglich aus der Armut zu befreien. Doch zur Wahrheit gehört leider auch, dass mit einem ökonomischen Aufstieg häufig erstmal höhere CO2-Emissionen einhergehen und die Welt in den nächsten Jahren mit einem weiteren massiven Anstieg rechnen muss.

Eine interaktive Übersicht von Our World in Data zeigt, wie sich die CO2-Emissionen im Zeitverlauf auf verschiedene Weltregionen verteilt haben. Diese Daten belegen, dass Europa und die USA bis in die Neunzigerjahre die größten Emittenten waren, aber auch, dass heute der Rest der Welt für das Gros verantwortlich ist. So ist zum Beispiel der Ausstoß Südamerikas oder Afrikas kontinuierlich gestiegen. Indien kommt heute auf fast so viele CO2-Emissionen wie die 27 Länder der EU (deren Ausstoß seit Jahren sinkt). Und der mit Abstand größte Emittent der Welt ist längst China. Hier ein Screenshot:

Die Verhältnisse zeigen: Europa wird im Alleingang wenig erreichen können, und Deutschland schon gar nicht. Geprägt wird der Klimawandel inzwischen von anderen CO2-Emittenten, die zudem häufig noch steigende Zahlen aufweisen. Und für diese Länder, die zu den Schwellenländern, aber auch zu den armen Ländern dieser Erde gehören, steht die Steigerung des Wohlstands im Moment an erster Stelle.

Vince Ebert zitiert eine Studie der Vereinten Nationen, die seit 2016 mehr als zehn Millionen Menschen weltweit nach ihren Prioritäten befragt hat. Auf den ersten Plätzen rangieren Bildung, Gesundheitsversorgung, Nahrung etc. Auf dem letzten Platz landete – der Kampf gegen die Erderwärmung. Wen das erstaunt, der sollte sich vor Augen führen, dass mehr als ein Viertel der Menschheit keinen Zugang zu sauberem, sicherem Wasser hat, wie das UN-Kinderhilfswerk Unicef und die Weltgesundheitsorganisation WHO 2019 festhielten:

„2.2 billion people around the world lack safe drinking water.”

Ein anderes Problem für viele Menschen: Kochen und Heizen. Nach Angaben der Heinrich-Böll-Stiftung aus dem Jahr 2015 nutzten damals fast drei Milliarden Menschen dafür offene Feuerstellen und traditionelle Öfen mit Holz, Dung oder Kerosin. Und weil die Brennstoffe häufig in Innenräumen verfeuert werden, ist dieser Umstand eine der größten Todesursachen weltweit.

Je nach Quelle sterben jedes Jahr 2,3 bis 3,8 Millionen Menschen an der Luftverschmutzung in Innenräumen

(mehr zu diesem Thema bei Our World in Data).

Verständlich, dass die Menschen aus diesem Elend ausbrechen wollen. Schon Energie aus Kohle, die mit ihrem CO2-Ausstoß besonders belastend fürs Klima ist, stellt für sie eine enorme Verbesserung der Lebensqualität dar. Heizen mit Elektrizität (das bei richtiger Energiequelle weniger schädlich wäre) bleibt für sie meist unerreichbar. Klar scheint: Je höher das Einkommen, sprich je größer der Wohlstand, desto klimaverträglicher sind die Mittel, die Menschen fürs Kochen und Heizen nutzen. Hier eine interaktive Grafik, die den inversen Zusammenhang zeigt, im Screenshot:

3. Verzicht? Hat seine Grenzen

Zugang zu sauberem Wasser, sicheres Kochen und Heizen – für die aufstrebenden Länder dieser Erde hat das Stillen grundlegender Bedürfnisse höchste Priorität. Und weil diese Länder inzwischen das Gros der CO2-Emissionen bestimmen, kann eine Klimapolitik, die auf Verzicht setzt, nicht funktionieren. In diesen Ländern ist Verzicht, wie ihn viele Klima-Aktivisten propagieren, keine Lösung. Denn dort geht es häufig um das nackte Überleben.

Selbst in reichen Nationen funktioniert der derzeit so populäre Appell der Klimaaktivisten („Jeder kleine Verzicht zählt“) nur bedingt. Erstens sind die Einsparungen an sich meist sehr klein. Zweitens tritt häufig der „Rebound-Effekt“ ein: Eine effizientere Lampe wird länger genutzt oder das durch weniger Ressourcenverbrauch gesparte Geld an anderer Stelle ausgegeben, was zu neuen CO2-Emissionen führt – die die Einsparung sogar übersteigen können. Wissenschaftler schätzen, dass 60 Prozent der CO2-Einsparungen, die durch umweltfreundlicheres Verhalten erzielt werden, an anderer Stelle wieder verloren gehen.

Der dritte Grund ist in der Wissenschaft als „moral licencing” bekannt. Wer sich an einer Stelle moralisch richtig verhält, erteilt sich an anderer Stelle gern mal die Erlaubnis, fünfe gerade sein zu lassen. Auch dieses Phänomen ist bestens erforscht. Ein Beispiel, das dieses Phänomen anschaulich illustriert und jüngst für Schlagzeilen sorgte, sind die zwei Aktivisten der „Letzten Generation“, die in Stuttgart aus Protest eine Straße blockierten, später aber kein Problem darin sahen, für einen längeren Urlaub mit dem Flugzeug nach Südostasien zu reisen.

4. Ja, der Markt versagt manchmal – aber er ist auch von großem Nutzen

Gewiss gilt: Der Markt kann nicht alles lösen. Aus der Spieltheorie stammt der Begriff des „sozialen Dilemmas“. Er bezeichnet eine Situation, in der Individuen, die allein ihre persönlichen Interessen verfolgen, sich als Gemeinschaft schlechter stellen. Sie stünden besser da, würden sie kooperieren. Bei einer bekannten Form, auch bekannt als die „Tragik der Allmende“, werden die Vorteile der Nutzung eines allgemein zugänglichen, endlichen Gutes individuell vereinnahmt und die Nachteile sozialisiert.

Ein klassischer Fall dafür ist die Nutzung fossiler Energieträger. Ihre Vorteile werden von Unternehmen oder Konsumenten realisiert. Die damit einhergehenden CO2-Emissionen jedoch werden in die Atmosphäre geblasen und der Welt aufgebürdet – mit all ihren negativen Folgen. Ökonomen sprechen hier von Marktversagen.

Erschwerend hinzu kommt, dass das Problem auch für alle globalen Lösungen im Kampf gegen den Klimawandel gilt. Jeder nimmt gerne den Nutzen dieser Bemühungen in Anspruch, doch die Kosten dürfen gerne die anderen tragen. Sehr klar wird dieses soziale Dilemma, auch bekannt als „Trittbrettfahrertum“, in unserem Podcast mit Prof. Christian Rieck beschrieben. Vor allem daran scheitern die globalen Klimaabkommen bislang.

Zwar einigt sich die Welt auf gemeinsame Ziele wie die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad, doch die Beiträge, zu denen sie sich bisher jeweils verpflichtet haben, reichen nicht, um diese Ziele zu erreichen. Motto: Sollen doch die anderen mehr tun. Für einzelne Nationen kann es sehr vorteilhaft sein, die eigenen Emissionen weniger stark zu senken (oder sie gar zu erhöhen), in der Annahme, dass andere Nationen die Arbeit schon machen werden.

Ein Grund für dieses Problem ist das Auseinanderfallen von sichtbarem Aufwand und sichtbarem Nutzen. Beim Umweltschutz funktioniert das noch: Er ist in der Regel lokal, klar in seiner Kausalität und seine Erfolge sind gut zu sehen. Klimaschutz hingegen ist meist multikausal und nur global steuerbar, sein Nutzen bleibt für viele abstrakt. Deswegen scheitert er häufig. Oder wie es Vince Ebert auf den Punkt bringt:

„Umweltschutz ist eine wahre Erfolgsgeschichte. Chapeau! Beim Klimaschutz dagegen weiß man noch nicht einmal so genau, was man konkret schützen, bewahren oder retten soll. Es ist eben wesentlich einfacher, einen ganz speziellen Giftstoff in einem ganz bestimmten Fluss zu eliminieren, als ein Atmosphärengas, ohne das es kein Leben auf der Erde gäbe, sinnvoll einzudämmen.“

Eine mögliche Lösung ist der Erlass von Verboten oder Regeln. Dies ist jedoch nicht immer effizient. Eine ökonomische Alternative, die sich den Marktmechanismus zunutze macht und dem Einzelnen weiter die Freiheit der Entscheidung überlässt, ist die Bepreisung der Schädigung des Gemeingutes. Diese kann die Form eines CO2-Emissionshandels annehmen, wie ihn die EU schon seit vielen Jahren kennt, oder die einer CO2-Steuer, die emissionsintensive Aktivitäten verteuert. In seinem Buch „Klimapanik“ schreibt der dänische Politikwissenschaftler BjØrn Lomborg dazu:

„Genau das macht eine CO2-Steuer: Sie zwingt jede einzelne Person, bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen, welche Klimaschäden bei der Bereitstellung von Produkten und Dienstleistungen entstehen. Eine CO2-Steuer erlaubt uns, Kosten und Nutzen richtig abzuwägen.“

Deutschland hat vor wenigen Jahren CO2-Preise eingeführt, die den Verbrauchern Kosten auferlegen und Schritt für Schritt steigen. Wichtig wäre es, solche CO2-Abgaben oder -Steuern weltweit einzuführen, um einen CO2-Steuer-Tourismus oder Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Nicht ohne Grund hat die EU kurz vor Weihnachten die Einführung eines Zolls auf Güter beschlossen, die irgendwo in der Welt ohne CO2-Ausgleichszahlungen hergestellt und in die EU importiert werden.

Es ist essenziell zu verstehen: Die Ziele für die Senkung von CO2-Emissionen zu erreichen, wird mit Kosten verbunden sein. Entweder die Menschen verzichten auf Dinge wie Transport, Heizung, Kühlung etc oder sie zahlen höhere Preise für ihre Nutzung. Beides bremst die wirtschaftliche Entwicklung.

Zur Illustration: Laut Lomborg schätzt das Energy Modeling Forum an der Stanford University in Kalifornien die Kosten für das Erreichen der von der EU gemachten Zusagen zur Reduzierung von CO2-Emissionen (um 40 Prozent, verglichen mit 1990) auf rund 1,6 Prozent des BIP im Jahr 2030 (respektive rund 250 Milliarden Euro). Die Welt würde das Pariser Abkommen von 2030 an demnach mehr als 900 Milliarden Euro pro Jahr kosten.

Dabei muss einem klar sein: Diese Kosten, insbesondere hohe Energiekosten treffen die Ärmsten besonders hart. Die derzeit verfügbaren Technologien zur Erzeugung erneuerbarer Energie sind für die meisten Menschen auf der Erde zu teuer, so dass in Schwellenländern weiter sehr stark auf die deutlich billigeren fossilen Energieträger zurückgegriffen wird. In Südafrika wurde 2021 ein Kohlekraftwerk fertiggestellt, das damals als das viertgrößte der Welt galt; bis heute erzeugt das Land etwa 80 Prozent seines Stroms mit Kohle. In Nigeria starten in den nächsten Jahren rund 100 Öl- und Gasprojekte.

5. Innovationen sind der wichtigste, konstruktivste Weg

Das bringt mich zum letzten – und meines Erachtens wichtigsten – Ansatz, um den Klimawandel zu bekämpfen: Die Welt braucht Innovationen und Offenheit für neue Technologien. Ohne sie wird es nicht gelingen, Emissionen im großen Stil zu reduzieren und zugleich armen Ländern ihre wirtschaftliche Entwicklung zu gewährleisten. Wir brauchen mehr Geld für die Forschung und Entwicklung grüner Technologien, gerade auch im Energiesektor.

Welche Innovationen in 50 Jahren die Welt beherrschen werden, ist schwer vorherzusagen. Lomborg zufolge könnten die nächste Generation der Kernenergie oder die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (Carbon Capture and Storage, CCS) mögliche nächste Meilensteine sein – Technologien, an denen bereits gearbeitet wird. In meinem Beitrag #12 über Serendipity habe ich indes gezeigt, dass etwa 50 Prozent aller Entdeckungen zufällig sind oder aus Ecken kommen, die der Mainstream lange gar nicht auf dem Radar hatte. Sprich: Wir wissen heute nicht, was die Welt uns morgen bringen wird.

Auch deshalb ist Offenheit für neue Technologien so wichtig. Vince Ebert schreibt in seinem Bestseller „Lichtblick statt Blackout“ oder auch in unserem Podcast:

„Kluge, umwälzende Ideen entstehen nur, indem wir unseren Blick erweitern und in allen Technologiefeldern forschen.“

Das Beispiel Europa zeigt: CO2-Emissionen lassen sich reduzieren, ohne wirtschaftliches Wachstum zu stoppen. So ist es der EU in den vergangenen Jahrzehnten gelungen, ihren CO2-Ausstoß stark zu reduzieren, und zwar nicht dadurch, dass Unternehmen diesen Ausstoß in andere Länder „ausgelagert“ hätten, sondern durch Innovationen. Massive Investitionen in Umwelttechnologien haben deutliche Spuren hinterlassen. Sehr eindrücklich zeigt dies auch eine interaktive Grafik zu Deutschland von Our World in Data, hier zu sehen als Screenshot:

Die Sensibilisierung für Klimafragen und Konsequenzen des Klimawandels ist eine sehr wichtige Aufgabe. Noch wichtiger erscheint mir jedoch die Gestaltung der Zukunft durch Handeln – nicht Agitieren. Wichtig dafür ist Bildung. Vince Ebert fordert zum Beispiel „ein Bildungssystem, das unseren Schülern wieder Lust auf Zukunft und ihren Gestaltungswillen weckt“.

Grundsätzlich kann Wut produktiv sein. Ich zitiere gern Wolf Lotter, Bestsellerautor und Journalist, der seinen persönlichen Antrieb in Anlehnung an den Sex-Pistols-Sänger Johnny Rotten wie folgt beschreibt: „Anger is an energy“. Und derzeit sehen wir viel Wut bei den Jugendlichen! Die Frage ist nur, wohin sie ihre Energie lenken.

Ein großartiges Beispiel dafür, wie man nicht durch Protest, sondern durch Inspiration und Wirkung einen eigenen Beitrag leisten kann, liefert Boyan Slat aus Holland. Gerade einmal 16 Jahre alt, begann er nach einem Tauchurlaub in Griechenland, bei dem er im Wasser mehr Plastikmüll als Fische entdeckte, ein passives System zu entwickeln, das die Meeresströmungen nutzt, um Plastik aus dem Wasser zu filtern.

Inzwischen ist das 160 Meter lange System 001/B bereits seit vier Jahren im Einsatz. Im Juli 2021 begann der Test des Systems 002, dessen volle Länge 600 Meter beträgt. Binnen nur drei Monaten wurden damit 29 Tonnen Plastik aus dem Pazifik entfernt, bis Ende 2022 waren es insgesamt 194 Tonnen. In der Entwicklung befindet sich das System 003, das einmal 2500 Meter lang sein soll. 2015 stellte Boyan Slat zudem ein weiteres Projekt namens „The Interceptor“ vor, das helfen soll, Flüsse vom Plastikmüll zu befreien und somit die Verschmutzung der Meere zu vermeiden. Aktuell sind zehn solcher Systeme im Einsatz, die in sechs Ländern – unter ihnen Indonesien, Malaysia, Vietnam, Jamaika oder die Dominikanische Republik – Müll herausfilterten.

Das ist für mich produktive „Wut“. Ein Ansatz, die persönliche Energie in wirklich zukunftsgestaltendes Handeln zu lenken!

Ich glaube: Die Lösungen für eine bessere Welt werden meist nicht von Politikern oder Ideologen allein entwickelt, sondern von Menschen, die über einen über Jahre angesammelten praktischen Erfahrungsschatz verfügen.

Mein persönliches – optimistisches – Fazit fasst Lomborg am besten zusammen:

„Die Menschheit löst ihre großen Probleme in der Regel dadurch, dass sie Neues erfindet und technische Lösungen austüftelt.“

PS: Erlauben Sie mir bitte noch einen weiteren Hinweis. Vor rund 8 Monaten haben wir unseren Podcast „SMP LeaderTalks" in Audio- und Videoversion ins Leben gerufen – mit großem Erfolg!

Dank exzellenter Gäste wie Prof. Christian Rieck, Prof. Dr. Volker Busch oder Harvard-Professor Felix Oberholzer-Gee gehört er in Deutschland inzwischen zu den topplatzierten Podcasts in der Kategorie „Management“.

Es wäre uns eine große Freude, wenn Sie auch diesem Format Ihre Aufmerksamkeit schenken und uns dadurch weiter unterstützen würden. Sie finden den Podcast auf allen einschlägigen Plattformen, auf YouTube oder einfach auch hier: LeaderTalks 

respektive direkt zu den jeweiligen Plattformen: 

Georgiy Michailov Managing Partner Dipl.-Volkswirt, B.M. (TSUoE)

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