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Die bittere Wahrheit über das Süße (Teil II)

Autor

Georgiy Michailov

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Oder: Fünf Hacks für bessere Insulin-Werte

Nachdem ich im ersten Teil dieses Artikels die Bedeutung der Glukose und ihre Verarbeitung im menschlichen Körper erläutert habe, möchte ich nun auf die Tricks eingehen, mit denen sich die gezielte Verflachung der Glukose-Kurve erreichen lässt. Eine flache Glukose-Kurve bedeutet, dass der Spiegel des Blutzuckers den ganzen Tag über relativ stabil bleibt, mit geringen Schwankungen nach dem Essen.

Gibt es wenige Ausschläge nach oben oder unten, ist das ein Zeichen für einen effizienten Glukose-Stoffwechsel und eine gesunde Insulin-Antwort. Eine flache Glukose-Kurve ist zudem mit einem geringeren Risiko für die Entwicklung von Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden.

Die möglichen Handlungsansätze habe ich dem empfehlenswerten Buch von Jessie Inchauspé entnommen: „Glucose Revolution“ (auf Deutsch erschienen unter dem Titel: „Der Glukose-Trick“). Fünf davon möchte ich herausgreifen, gefolgt von einer Beschreibung meiner Erfahrungen mit dem Monitoring meiner Glukose-Werte.

Hack Nr. 1: Die richtige Reihenfolge beim Essen

Allein die Reihenfolge zu ändern, in der wir die einzelnen Bestandteile unserer Mahlzeiten essen, kann die Glukose-Spitzen um mehr als 70 Prozent reduzieren. Die richtige Reihenfolge wäre dabei, zunächst die Ballaststoffe zu uns zu nehmen, dann Eiweiß und Fett und erst zum Schluss Stärke und Zucker. Heißt im Alltag:

Beginnen Sie am besten mit ballaststoffreichen Salaten oder Gemüse, möglichst mit Olivenöl angereichert (statt mit Dressings – die enthalten manchmal sehr viel Zucker!). Erst danach kommen Fisch oder Fleisch oder vegane Alternativen. Und den Abschluss bilden die Produkte, die Stärke enthalten, wie zum Beispiel Kartoffeln, Nudeln, Brot oder Obst.

Demnach ist es also nicht sehr vorteilhaft, seine Mahlzeit mit Brot oder dem frisch gepressten Orangensaft zu beginnen.

Warum aber ist es sinnvoll, mit Ballaststoffen zu beginnen?

Ballaststoffe haben drei wichtige Funktionen. Sie verringern die Wirksamkeit des Enzyms α-Amylase, das für die Aufspaltung von Stärke in Glukose verantwortlich ist. Sie beeinflussen auch die Geschwindigkeit der Magenentleerung, indem sie die Durchgangsgeschwindigkeit der Nahrung verlangsamen. Schließlich bilden sie im Dünndarm eine Art elastisches Netz, das die Aufnahme von Glukose ins Blut hemmt.

Fette aus Nahrungsmitteln wie Avocado, Butter, Öl, Fisch oder Nüssen haben die letztgenannte Funktion. Einige Fette sollten jedoch vermieden werden, insbesondere gehärtete und raffinierte Speise-Öle wie Raps-Öl, Mais-Öl, Baumwollsaat-Öl, Soja-Öl, Distel-Öl, Sonnenblumen-Öl, Traubenkern-Öl und Reiskleie-Öl.

Hack Nr. 2: Die richtige Zusammensetzung der Kalorien

Bei den Kalorien kommt es nicht auf das Zählen an, sondern auf die richtigen Moleküle. Mit anderen Worten: Wir sollten weniger auf die Menge achten (ohne diese zu übertreiben), sondern mehr auf die Zusammensetzung. Selbst wenn ein Donut und ein Bagel die gleiche Zahl an Kalorien haben, werden sie sich unterschiedlich auf unseren Körper auswirken.

Künstlich fettarme Produkte sind oft mit Zucker angereichert, der die Blutzuckerkurve auf eine Achterbahnfahrt schickt. Sehr häufig wird auch Fruchtzucker zugesetzt, was besonders ungünstig ist, da dieser nur in Fett umgewandelt wird.

Vor allem beim Frühstück ist es besser, zu den „herzhaften“ Kalorien zu greifen statt zu Cornflakes oder Smoothies. Ein Frühstück, das den Blutzuckerspiegel stabil hält, besteht aus einer gewissen Menge an Eiweiß, Ballaststoffen und Fett sowie optional Stärke und Obst. Soll heißen: Ein Croissant mit Marmelade und ein Cappuccino mit Zucker sind keine günstige Kombination – tut mir leid! :)

Hack Nr. 3: Lieber Desserts als Snacks zwischendurch

Sind fünf kleine Mahlzeiten am Tag besser als zwei oder drei große? Dieser Tipp ist weit verbreitet, doch die Wissenschaft geht davon aus, dass wir uns damit ziemlich viel abverlangen. Grund ist der „postprandiale“ Zustand, der Verdauungsprozess nach dem Essen, der etwa vier Stunden andauert. Bei mehreren Mahlzeiten am Tag bedeutet das, dass der Körper sich etwa 20 Stunden lang in diesem „postprandialen“ Zustand befindet.

Im Unterschied dazu helfen wenige große Mahlzeiten, den Körper zu entlasten. Auch deshalb ist Intervallfasten so effektiv, denn dabei hat der Körper mehr Zeit, in den Aufräummodus zu schalten und geschädigte Zellen durch neue zu ersetzen.

Es ist somit besser, ein Dessert zu essen als eine Zwischenmahlzeit. Interessant ist auch, dass beim Abnehmen besser abschneidet, wer die gleiche Kalorienmenge auf zwei statt auf fünf Mahlzeiten verteilt.

Hack Nr. 4: Der Essig vor dem Essen

Ein weiterer einfacher Trick besteht darin, kurz vor dem Essen Essig (ohne Zuckerzusatz) zu trinken. Aufgrund seiner Geschmacksstruktur eignet sich Apfelessig am besten dafür. Einfach einen Löffel in einem großen Glas Wasser auflösen und bis zu 20 Minuten vor dem Essen trinken – oder als Salatdressing verwenden.

Das hat zwei Vorteile. Erstens wird das Enzym α-Amylase, das für die Aufspaltung von Stärke in Glukose verantwortlich ist, vorübergehend deaktiviert. Dadurch wird die mögliche Glukose-Spitze abgeflacht. Außerdem aktiviert die Essigsäure unsere Muskeln, Glykogen viel schneller aufzunehmen, was ebenfalls dazu führt, dass die Spitzen eher abflachen. Beides führt nicht nur dazu, dass weniger Glukose im Blut zirkuliert, sondern auch dazu, dass unser Erbgut so umprogrammiert wird, dass die Mitochondrien in unseren Körperzellen mehr Fett verbrennen.

Nicht umsonst gilt Essig in vielen Ländern traditionell als gesundheitsfördernd. Vom Balsamico-Essig in Italien bis zum Reis-Essig in Japan wird er in den verschiedensten Variationen als Booster für den Stoffwechsel getrunken.

Hack Nr. 5: Bewegung nach dem Essen

Ein echter (weil sehr einfacher) Hack ist ein Spaziergang von 15 bis 20 Minuten nach dem Essen. Dadurch können die Glukose-Spitzen um etwa 30 bis 40 Prozent gesenkt werden. Der Effekt beruht auf einer stärkeren Aktivierung unserer Mitochondrien. Diese nehmen die Glukose durch die Bewegung deutlich schneller auf, was zu einer Abflachung der Spitzen im Blut führt. Schließlich brauchen sie die Energie, das bereits erwähnte Adenosintriphosphat (kurz ATP).

Wenn Sie nicht spazieren gehen können: Nehmen Sie die Treppe, machen Sie Kniebeugen, Liegestütze oder was auch immer. Und wenn Sie jemand verwundert fragt, was Sie da treiben, können Sie ja immer sagen, dass Sie gerade ein sehr wichtiges Experiment durchführen, um Ihr persönliches Energieniveau zu optimieren.

Nun zu meinen persönlichen Erfahrungen nach mehreren Monaten der Anwendung eines Glukose-Monitors.

Für Diabetiker wird dieses Tool schon sehr lange erfolgreich eingesetzt. Auf dieses Tool für Gesunde bin ich durch den Bericht eines Startups auf LinkedIn aufmerksam geworden. Dieses Unternehmen beschäftigt sich mit dem Einfluss von Glukose auf unser Wohlbefinden und unsere Leistungsfähigkeit. Da es mir dort aber nicht gelang, den Bestellprozess zu Ende zu bringen, habe ich mich für eine andere Lösung von einem etablierten Unternehmen entschieden, die sich mittlerweile vor allem in der Sportszene etabliert hat. Von der US-Firma erhält man monatlich Sensoren von Abbott und kann die eigene, ausgeklügelte App mit vielen nützlichen Informationen nutzen. Vor allem am Anfang werden Nutzer durch mehrere Newsletter, die in die Welt der Glukose einführen, sehr eng begleitet.

Keine Sorge: Auch wenn es etwas angsteinflößend aussieht – ich habe mit diesem Sensor absolut schmerzfreie Erfahrungen gemacht :)

Strenggenommen misst der Sensor den Glukose-Gehalt nicht im Blut, sondern in der Zwischenzellflüssigkeit des Unterhautfettgewebes. Es handelt sich somit um keine blutige Angelegenheit. Allerdings ergibt sich aus der Methode eine leichte Zeitverzögerung von etwa 20 Minuten, verglichen mit einer direkten Blutmessung.

Nur warum sollte ein gesunder Mensch die damit verbundenen Kosten und kosmetischen Unannehmlichkeiten (der Sensor fällt auf) auf sich nehmen?

Der wichtigste, für mich persönlich ausschlaggebende Punkt: Ich wollte meinen Körper einfach besser kennenlernen. Und in der Tat helfen Sensor und App zu verstehen, was man seinem Körper mit vermeintlich harmlosen Kleinigkeiten „antut“. Vor allem das hatte einen disziplinierenden Effekt auf mich und enormen Einfluss auf mein Verhalten. Plötzlich fiel es mir noch leichter, zu Süßigkeiten und Snacks zwischendurch „Nein“ zu sagen.

Außerdem habe ich dank des Tools festgestellt, dass ich morgens mehr Energie habe, wenn ich abends Kohlenhydrate zu mir nehme. Da ich seit Jahren intermittierend faste, ist das für mich eine wichtige Erkenntnis, um am Wochenende genügend Energie für meine sportlichen Aktivitäten zu haben. Erfreulich war auch zu sehen, dass ich die dunkle Schokolade mit Nüssen gut essen konnte, ohne dass mein Blutzuckerspiegel Achterbahn fuhr. Im Übrigen konnte ich die oben beschriebenen Hacks auch anhand meiner eigenen Werte in Echtzeit verfolgen und ihre Gültigkeit bestätigen.

Georgiy Michailov Managing Partner Dipl.-Volkswirt, B.M. (TSUoE)

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