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Insights

Die gefährliche Kraft der Propaganda

Autor

Georgiy Michailov

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Die Wahrheit hat es schwer, heute vielleicht mehr denn je.

Schon seit Jahrhunderten werben religiöse Führer, Regierungen oder Unternehmen für ihre „Produkte“. Und dabei geht es ganz gewiss nicht immer sachlich und seriös zu. Siehe die Nazis und die Sowjetunion zu Beginn des 20. Jahrhunderts, siehe Russland, China oder Nordkorea heute. Vor allem Diktaturen preisen ihre Stärke, ihre Führer und die Verkommenheit ihrer Gegner gerne mit Mitteln der Propaganda.

Allerdings sind sie in dem Versuch, Menschen ohne ihr Wissen zu manipulieren, nicht allein. Auch Regierungen westlicher Demokratien scheuen vor fragwürdigen Mitteln nicht zurück. Siehe die Legende vom Tonkin-Zwischenfall 1964, die das Eingreifen der USA in Vietnam rechtfertigen sollte, siehe die Warnung vor „Massenvernichtungswaffen“, die als Anlass für den Einmarsch westlicher Truppen im Irak 2003 herhielt, siehe die „alternativen Fakten“, die seit Donald Trumps erster Amtszeit Konjunktur haben.

Erschwert wird die Lage heute durch die sozialen Medien, die ganz neue Möglichkeiten der Manipulation eröffnen, bis hin zu gefälschten Videos, die dank KI kaum noch als solche zu erkennen sind. Vor allem bei strittigen Themen wie der Pandemie, dem Klimawandel oder der Reaktion auf Russlands Krieg in der Ukraine wird der Kampf um die Deutungshoheit von einigen mit allen Mitteln geführt.

Doch woher stammt eigentlich der Begriff „Propaganda“?

In gewisser Weise liegt die Schuld bei Papst Gregor XV. Er war es, der im Jahr 1622 mit der „Kongregation für die Verbreitung des Glaubens“ in Rom eine neue wichtige Behörde innerhalb der katholischen Kurie schuf – eine Institution, deren Name Pate stand für ein Phänomen, das wir heute in vielen Formen kennen.

„Congregatio de Propaganda Fide“, lautet die Bezeichnung der neuen Behörde auf Lateinisch. Ihre Aufgabe war, in Reaktion auf die Reformation des 16. Jahrhunderts sicherzustellen, dass der katholische Glaube neue Anhänger fand und alte bei der Stange hielt. Ziel war die Missionierung der Menschen.

Schon bald löste sich das Wort „Propaganda“ von diesem Kontext und wurde zum Inbegriff für alle Versuche, andere Menschen gezielt zu beeinflussen.

Dieses Bemühen ist sicher so alt wie die Menschheit selbst, doch der Ausdruck „Propaganda“ machte spätestens im 20. Jahrhundert besondere Karriere, als Massenmedien wie Zeitungen, Radio und Fernsehen neue Möglichkeiten boten – und speziell von Diktaturen für ihre Zwecke instrumentalisiert wurden.

Unter Propaganda fällt zum Beispiel (aber keinesfalls allein) das Verbreiten von Legenden und geschönten Zahlen, das Propagieren falscher, aber für den Staat hilfreicher Narrative, das clevere Arbeiten mit Sprache, Bild und Ton sowie das Ausnutzen menschlicher Schwächen und typischer Verhaltensweisen.

All das erfuhr ab 1900 eine traurige Professionalisierung, sei es durch die Nazis im Dritten Reich oder durch die Sowjetunion. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kämpften Ost wie West dann mit allen möglichen Mitteln um die Herzen und Köpfe der Menschen – Lügen, Fälschungen und Kampagnen inklusive.

Problematisch an Propaganda ist insbesondere die Tatsache, dass sie meist versucht, Menschen heimlich zu manipulieren, ihre natürlichen Abwehrmechanismen zu unterlaufen und sich dafür Erkenntnisse der Psychologie zunutze zu machen.

Dieses Vorgehen findet sich keineswegs nur in der Welt der Politik. Auch in der Wirtschaft wird seit dem 20. Jahrhundert systematisch versucht, Menschen zu überzeugen – in diesem Fall weniger von Herrschern und Ideologien, sondern von Produkten, Marken und Unternehmen.

Deutlich wird dies etwa bei Werbung, die in ihren Anfängen noch überraschend häufig auf Sachinformationen setzte, im modernen Marketing aber vor allem Emotionen wecken, Images schaffen und Bindung erzeugen will.

Dann ist da die PR, die in ihrer eher harmlosen Form nur Vorteile eines Produkts herausstellt (und seine Probleme verschweigt), zunehmend aber auch bewusst und im Verborgenen „Spins“ verbreitet, zum Beispiel wenn ein Unternehmen in der Kritik steht oder eine Übernahme droht.

Noch dunkler wird das Spiel, wenn Gefälligkeitsgutachten produziert, Studien gefälscht oder Gegner diskreditiert werden.

Einer, der die Mechanismen und Mittel der Propaganda erst als Politikberater und später für Unternehmen nutzte, war Edward Bernays. Er war Neffe von Sigmund Freud, sah Menschen als irrationale, vom Unbewussten geleitete Wesen und Massen als formbar. Kunden oder große Gruppen ohne deren Wissen zu manipulieren, darin erkannte er nichts Verwerfliches, sondern eine Chance, die es zu nutzen galt.

1928 veröffentlichte Bernays das Buch „Propaganda“, später aber, als dieser Begriff zunehmend negativ besetzt war, sprach er lieber von „Public Relations“. Viele heute gängige PR-Mittel wie Prominente als „Testimonials“, die ein Produkt bewerben, oder Storytelling zum Aufbau eines Images gehen auf seine Arbeit zurück.

Mit dem weltweiten Aufstieg der Propaganda in Politik und Wirtschaft wuchs natürlich auch die Kritik daran. Historiker beschrieben zum Beispiel die perfiden Methoden der NS-Propaganda, Psychologen untersuchten menschliche Denkfehler und Massenverhalten, Journalisten deckten Skandale auf.

Zu den prominentesten Kritikern zählt der amerikanische Linguist und Publizist Noam Chomsky, dessen 1988 veröffentlichtes Buch „Manufacturing Consent“ über die Logik und Rolle von Massenmedien bis heute zu den Standardwerken zählt. Chomsky lenkte den Blick insbesondere darauf, wie politische Akteure – teils unterstützt von willfährigen oder unkritischen Medien – versuchen, Narrative zu erzeugen, Wahlen zu beeinflussen oder Kriege zu rechtfertigen.

Skepsis ist besonders dann geboten, wenn mehr an Emotionen appelliert als auf Sachargumente gesetzt werde oder wenn eine Seite die andere persönlich angreife, ja abwerte, so Dr. Jonas Tögel, Autor der Bücher „Kognitive Kriegsführung“ und „Kriegsspiele“, den wir in der Folge unseres Podcasts „SMP LeaderTalks“ begrüßen durften. 

Der passende SMP LeaderTalk zum Thema:

18. Juni 2025

SMP LeaderTalks

#98 | Unsichtbare Waffen der Propaganda - Georgiy Michailov trifft Dr. Jonas Tögel

„Die Menschen sind vor allem vom Unbewussten beeinflusst.“

Georgiy Michailov Managing Partner Dipl.-Volkswirt, B.M. (TSUoE)

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