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Meine zehn Leitsätze für ein gelingendes Leben (2/4)

Autor

Georgiy Michailov

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Oder: Was ich in den vergangenen 20 Jahren (noch) gelernt habe

Im ersten Teil meiner Reflexion über die zehn Sätze, die mich stark beeinflusst oder mir neue Horizonte eröffnet haben, habe ich vor allem beschrieben, dass wir mehr als jeder andere über unser Schicksal bestimmen. Es geht zunächst einmal darum, Verantwortung für unser Leben zu übernehmen, durch die Entscheidungen, die wir (nicht) treffen, oder auch nur durch unsere Sicht auf die Welt und das, was uns widerfährt. Wir haben es selbst in der Hand – ein Gedanke, eine Erkenntnis, die etwas Befreiendes hat. Somit lautete mein

1. Leitsatz: Die Entscheidung liegt bei mir

Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass immer alles shiny and happy ist. Jedes Leben – ausnahmslos jedes – hält schwierige Zeiten, tragische Ereignisse, Krankheit oder Tod bereit. Auch darüber habe ich geschrieben.

Heute möchte ich diesen Gedanken ein wenig vertiefen, denn:

Wie verhindern wir, dass es so weit kommt?

Wie gehen wir damit um, wenn es doch geschieht?

Wie begegnen wir dieser Welt mit Zuversicht und Selbstvertrauen?

Am Ende geht es in meinem Leben doch darum, nie still zu stehen, sondern sich immer weiterzu-Ent-Wickeln. Und nach Möglichkeit auch das, was uns Kraft und Energie abverlangt, als Teil dieses Prozesses zu begreifen. Oder?

Hier im Überblick die drei Leitsätze, die ich heute in ihrer Bedeutung näher erläutern möchte:

2. Ein gesunder Mensch hat 1000 Probleme, ein kranker nur eins.

3. Nicht die Glücklichen sind dankbar, sondern die Dankbaren glücklich.

4. Selbstentwicklung ist der sicherste Weg, ein zufriedenes Leben zu führen.

Beginnen möchte ich mit dem, was wir erst im Lauf der Jahre, mit fortschreitendem Alter nicht mehr als selbstverständlich begreifen: mit dem eigenen Körper.

2. Leitsatz „Ein gesunder Mensch hat 1000 Probleme, ein kranker nur eines“

Dies ist der zweite für mein Leben wesentliche Satz. Wie wichtig er ist, merkt man, wenn es einem selbst oder jemandem in der unmittelbaren Umgebung auf einmal gesundheitlich richtig „dreckig“ geht. Plötzlich erscheinen einem die Probleme zum Beispiel bei der Arbeit – dieses anstrengende Projekt! jener nervige Kollege! – relativ unbedeutend. Aber viele Menschen müssen erst eine wirklich schmerzhafte Erfahrung machen, um ihrem Körper wirklich eine hohe Priorität einzuräumen.

In einem anspruchsvollen Job wie dem meinen lernt man schnell, den eigenen Körper als ein Instrument für High Performance zu verstehen, das dafür sorgt, dass man nicht nur Tag für Tag Höchstleistungen während der Arbeit bringt, sondern auch noch genügend Energie für die anderen Säulen des Lebens hat.

Die genetische Prädisposition ist zwar nicht zu unterschätzen, aber abgesehen davon liegt der Rest, was unseren Körper und unsere Gesundheit angeht, in unserer Hand. Deshalb steht dieser Satz auch wegen der Bedeutung für alles andere auch an zweiter Stelle.

Ich entscheide selbst über meine Ernährung, meine Bewegung, meinen Schlaf, meine Erholung, meine Achtsamkeit, meine Wachstumsschmerzen und ähnliches. Wenn ich hier aufmerksam bin, auf meinen Körper höre, dann habe ich mich für meine Gesundheit entschieden. Der Rest liegt nicht in meiner Hand.

Anders gesagt: Ich tue mein absolut Bestes, alles, was in meinem Einflussbereich liegt. Auf jeden Fall so viel, dass ich mir nichts vorwerfen kann.

Auch diese Einstellung fühlt sich für mich sehr be-freiend an.

Stichwort Sport:

„Exercise might be the most potent ‚drug‘ we have for extending the quality and perhaps quantity of our years of life.“

So die sehr beeindruckende Erkenntnis von Peter Attia, Arzt, Autor des Bestsellers „Outlive: The Art and Science of Longevity“ und einer der weltweit führenden Experten für Langlebigkeit.

Die richtige – und leider über­durchschnittliche – Sport­intensität reduziert die Sterbe­wahrscheinlichkeit, egal an welcher Krankheit, um den Faktor 5, verglichen mit einer unterdurchschnittlich aktiven Person.

Ein Fakt wie eine Offenbarung!

Wie wichtig Sport ist, machen auch Zahlen klar, die #AndrewHuberman, Professor für Neurowissenschaften an der Stanford University in Kalifornien, einmal aufgelistet hat: Demnach verlieren wir ab einem Alter von 40 Jahren ohne Training jedes Jahr ein Prozent an Muskelmasse, drei bis fünf Prozent an Kraft und Energie sowie acht bis zehn Prozent an Geschwindigkeit und Explosivität. Also, auf zum Workout! :)

Mehr über die positiven Auswirkungen von Sport und Bewegung erfahren Sie in unserem Podcast mit Patric Heizmann, einem der führenden Fitness- und Gesundheitsexperten hierzulande (hier).

Stichwort Schlaf: Auch er hat einen enormen Einfluss auf unsere körperliche und geistige Verfassung. Laut #AndrewHuberman, einer Kapazität auf diesem Gebiet, ist Schlaf das beste Nootropikum, der beste Immun-Booster, der beste Hormon-Booster und der beste emotionale Stabilisator!

Mehr dazu im Podcast mit dem führenden deutschen Schlafforscher Professor Christian Benedict (hier) und in meinem Blog zum Thema („Besserer Schlaf, bessere Performance“, Beitrag #23 der „Thoughts for Leaders“).

Stichwort Ernährung: Sie hat ebenfalls einen großen Einfluss auf das Wohlbefinden und unsere Gesundheit. So habe ich mich zuletzt zum Beispiel mit dem Thema CGM (Continuous Glucose Monitoring) beschäftigt und dabei so viel über meinen Körper gelernt wie nie zuvor. Wer sich eingehender für dieses Thema interessiert, findet hier meine beiden Blogbeiträge dazu (#37 und #38 der „Thoughts for Leaders“).

Vor den Menschen, die ihr Leben mit einer chronischen Erkrankung meistern müssen und dabei nie aufgeben oder verzagen, habe ich sehr großen Respekt! Sie holen das Beste aus der Situation heraus und viel mehr, als andere sich vorstellen können!

3. Leitsatz „Nicht die Glücklichen sind dankbar, sondern die Dankbaren glücklich.“

Im Internet kursiert folgende Geschichte: Ein junger Mensch wird gefragt, ob er gerne zehn Millionen Dollar hätte. Natürlich sagt er, dass er damit glücklich wäre. Man fragt ihn, ob er dafür auch etwas opfern würde. Natürlich, sagt er, man müsse schließlich etwas für sein Glück tun. Dann bietet man ihm zehn Millionen, verbunden mit der Botschaft, dass er dafür aber am nächsten Tag nicht mehr aufwachen würde. Auf keinen Fall sagt er, so viel sei ihm das Geld nicht wert. Die Botschaft an den jungen Mann:

Nur aufwachen zu können, ist ihm mehr wert als zehn Millionen Dollar.

Ich frage mich, ob er das vorher schon einmal realisiert hat!

Die meisten Menschen wissen gar nicht, wie privilegiert sie sind. Allein für eine intakte Gesundheit können sie schon sehr dankbar sein. Leider sehe ich diese, wie oben beschrieben, als Defizitgut: Man realisiert den Wert der Gesundheit erst, wenn sie zu schwinden beginnt oder mit einem Mal beeinträchtigt ist. So ist es leider mit vielen Dingen im Leben. Man ist zu wenig dankbar für das, was man hat, und konzentriert seine Energie zu sehr auf das, was einem fehlt.

Aber was ist mit möglichen Rückschlägen oder gar Schicksalsschlägen im Leben? Warum sollte man dafür dankbar sein? Ehrlich gesagt: Ich weiß es auch nicht genau.

Was ich aber in den vergangenen Jahrzehnten verstanden habe, ist, dass wir vieles nicht verstehen können, wenn wir nicht die nötige Distanz haben. Wir brauchen häufig Abstand und vor allem Zeit, um die Muster des Lebens zu verstehen. Die Wege des Herrn sind unergründlich.

Sehr beeindruckt hat mich der berühmte Ausspruch in den Tagebüchern des dänischen Theologen Søren Kierkegaard:

„Es ist ganz wahr, was die Philosophie sagt, dass das Leben rückwärts verstanden werden muss. Aber darüber vergisst man den anderen Satz, dass das Leben vorwärts gelebt werden muss.“

So konnte ich sehr viele Widrigkeiten des Lebens, die ich zu ihrer Zeit als ungerecht empfunden habe, erst Jahre später verstehen – und herauslesen, welchen Nutzen die damaligen Ereignisse auch mit sich gebracht hatten. Bzw. der Opferhaltung zu entkommen und das Beste aus dem Rückschlag zu machen, ist die wahre Kunst der Selbstbestimmung.

Ich bin wahrlich kein Freund der toxischen Positivität. Aber ich bin ein Freund der positiven Wahrnehmung. Ich darf noch einmal den großartigen Coach und Psychologen #JensCorssen zitieren:

„Was ist, ist. Und wie ich es beurteile, ist mein persönlicher Beitrag zu diesem Leben.“

Wenn etwas nicht so ist, wie wir es uns vorstellen, dann ist es zunächst erstmal nur eine Abweichung von unserer Zielvorstellung. Hier kommt unser Urteil ins Spiel. Oder wie der persische Mystiker Rumi gesagt haben soll:

„Zwischen Reiz und Reaktion ist ein Raum: Nur dort kann Begegnung stattfinden.“

Diesen Raum darf ich mit meinem eigenen Urteil füllen, und das obliegt mir ganz allein.

Jedoch, manches läuft ja wirklich sch....e! Wie man es auch dreht und wendet. Trotzdem stellt sich die Frage: Was bedeutet das für mich, zum Beispiel in fünf Jahren?

#ChristianBusch, ein deutscher Professor an der New York University, schreibt in seinem inspirierenden Buch „The Serendipity Mindset: The Art & Science of Creating Good Luck” (das hierzulande unter dem Titel „Erfolgsfaktor Zufall“ erschienen ist):

„Bad luck today might be serendipity tomorrow!“

Mehr über seine spannenden Erkenntnisse erfahren Sie in unserem Podcast mit Busch sowie in „Serendipität und das ‚glückliche‘ Leben“ (Beitrag #12 der „Thoughts for Leaders“).

Kündigung, Trennung, Unfall, eine schlechte Diagnose: All das kann für uns auch neue Chancen bedeuten.

Es gibt dafür keine Garantie, trotzdem sollten wir stets davon ausgehen, dass wir grundsätzlich auch im Unglück Glück finden können.

So bleibt mein Rezept für mehr Glück: mehr Dankbarkeit. Und das ganz grundsätzlich. Dankbarkeit reduziert die Komplexität des Urteils und schafft mehr Zufriedenheit. Vor allem ermöglicht sie, das Leben als Prozess in seiner Gesamtheit positiv wahrzunehmen und nicht nur auf einzelne Glücksmomente zu warten, um dem Leben endlich auch einmal danken zu können.

4. Leitsatz "Selbstentwicklung ist der sicherste Weg, ein zufriedenes Leben zu führen."

Unser Leben ist von hoher Dynamik und Komplexität geprägt. Stellt sich die Frage: Wie kommen wir damit zurecht? Um Schritt halten zu können, brauchen wir die wichtigste Grundzutat für ein zufriedenes Leben: unermüdliche Selbstentwicklung.

Das Leben mit all seinen Herausforderungen anzunehmen, seiner Komplexität zu erschließen und sich aus eigener Kraft bestmöglich darauf vorzubereiten - das ist für mich genau die richtige Einstellung.

Wenn wir verstehen, dass wir durch Selbstentwicklung, mit der wir uns selbst ermächtigen, vor allem unser Selbstwertgefühl stärken. Dieses können wir selbst entwickeln, ganz unabhängig von unserer Erziehung oder gar unserer genetischen Veranlagung.

Selbstwertgefühl ist vor allem unter hoher Unsicherheit sehr wichtig. Wie treffend ist doch die Aussage des Amerikaners Maxwell Maltz:

„Ein geringes Selbstwertgefühl ist, wie mit angezogener Handbremse durchs Leben zu fahren“.

Wichtig dabei ist: Der bestärkende Einfluss darf nicht von außen kommen.

Positive Selbst- und Fremdaffirmationen allein reichen nicht aus, um nachhaltiges Selbstvertrauen aufzubauen.

Stattdessen muss die Bestärkung aus der eigenen Entwicklung kommen. Deshalb ist es gut, wenn wir ständig in uns selbst investieren. Denn das ist der Bereich, den wir am besten beeinflussen können. So kommen wir ins Handeln und laufen gar nicht erst Gefahr, in die Opferrolle zu verfallen, die meist ja schon eine Ecke weiter lauert. Auf diese Weise gelingt es uns zu wachsen und die Komfortzone zu verlassen (auch wenn dies mit starken Wachstumsschmerzen verbunden sein kann).

Vor allem wenn wir unsere eigene Selbstentwicklung als Teil unseres Lebenssinns begreifen, können wir manches im Leben leichter ertragen. Gerne greife ich einen interessanten Gedanken unbekannter Herkunft auf, der die Hölle wie folgt beschreibt:

„Am letzten Tag auf Erden trifft die Person, die du geworden bist, auf die Person, die du hättest werden können.”

Ehrlich gesagt, ist es das, wovor ich in meinem Leben Angst habe – dass ich mein Potenzial nicht voll ausschöpfe. Deshalb verfolge ich bei der Steigerung meines Selbstwertgefühls vor allem meine innere Verpflichtung mir selbst gegenüber und stütze mich dabei auf das Konzept des Psychologen und Bestsellerautors Nathaniel Branden:

„Self-esteem is the reputation we acquire with ourselves.“

Ziel ist es, die eigene innere Reputation aufzubauen, um sich selbst vertrauen zu können.

Auf diese Weise können wir unser „Selbstvertrauen“ wie in einem mentalen Fitnessstudio trainieren. Die Trainingseinheiten bestehen darin, dass wir uns etwas vornehmen und es dann auch einhalten.

Der Managementexperte #ReinhardKSprenger hat einmal geschrieben:

„Der Einzelne muss, um von anderen anerkannt zu werden, sich selbst diesen klaren Anspruch geben. Dieser Anspruch manifestiert sich im Handeln.“

Sprenger meinte damit das innere Bekenntnis zu Vereinbarungen mit anderen, aber seine Worte lassen sich ohne weiteres auch auf Vereinbarungen mit sich selbst übertragen. Wir selbst sind unser Maßstab. Wir sind auch die einzigen, mit denen wir uns vergleichen dürfen, wenn wir uns nicht ins Unglück stürzen wollen.

Sich mit anderen zu vergleichen, ist der Tod jeden Glücks.

Wie steht es mit der genetischen Prädisposition, die uns die Natur mitgibt? Es gibt sehr viele hochintelligente Menschen, die nicht das erreicht haben, was sie sich für ihr Leben vorgenommen hatten oder was ihnen prophezeit worden war. Schließlich erklärt zum Beispiel der Intelligenzquotient (IQ) nur 25 bis 30 Prozent der Unterschiede im Erfolg verschiedener Menschen. Das ist zwar viel, aber damit bleiben immer noch etwa 70 Prozent an Einflussbereich, den wir in Angriff nehmen können. Deshalb gefällt mir folgender Spruch, der aus dem Basketballsport kommt:

„Harte Arbeit schlägt Talent, wenn Talent nicht hart arbeitet.“

Die persönliche Entwicklung kann ohne Ausreden in allen Dimensionen unseres Lebens stattfinden: Mentalität, Bildung, Denken, Beziehungen, Gesundheit, Kultur oder Unternehmertum.

Mir gefällt die Perspektive von Adam Grant, Professor an der Wharton School, Experte für Organisationspsychologie und Autor mehrerer Bestseller. Er betrachtet die persönliche Entwicklung aus der Perspektive der selbstbewussten Demut (mehr zu Grant im Beitrag #36 der „Thoughts for Leaders“).

Demut lässt sich in seiner lateinischen Variante „humilitas“ auf den Begriff „Erde“ zurückführen und ist Ausdruck unserer Erdung sowie der Akzeptanz der eigenen Fehlbarkeit. Demut dient sozusagen als Lebensfilter, der unsere Erfahrungen weise verarbeitet. Hochmut ist im Vergleich dazu eher ein Schutzschild, das Lebenserfahrungen abprallen lässt, ohne zu Reflexion oder Veränderung zu führen.

Sehr interessant wird Demut in Kombination mit Selbstvertrauen. Wenn wir grundsätzlich an unsere Fähigkeiten glauben, uns aber bewusst sind, dass wir noch nicht genug Wissen oder nicht die richtigen Werkzeuge haben, um eine Lösung zu finden, spricht Grant von selbstbewusster Demut.

Wenn wir Vertrauen in unsere Fähigkeit haben, neue Dinge zu lernen, sind wir selbstbewusst demütig.

Arroganz, so Grant, wirkt wie eine Ignoranz-Linse: Sie macht uns blind für unsere Schwächen. Demut dagegen ist eine Reflexions-Linse: Sie lässt uns diese Schwächen besser sehen und erkennen.

Selbstbewusste Demut wiederum wirkt wie eine Korrektur-Linse: Sie erlaubt uns, unsere Schwächen zu korrigieren.

Georgiy Michailov Managing Partner Dipl.-Volkswirt, B.M. (TSUoE)

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